Donnerstag, 25. Juni 2009

Westlich-liberal

Mit ihrem heutigen Empfang für den zimbabwischen Ministerpräsidenten Tsvangirai beteiligt sich die Bundesregierung an der westlichen Kampagne zum Sturz des zimbabwischen Staatspräsidenten. Tsvangirai ist vom Westen, insbesondere von der Bundesrepublik, seit Ende der 1990er Jahre als Oppositionsführer aufgebaut worden, um Staatspräsident Mugabe zu verdrängen. Mugabe wird in Berlin vorgeworfen, als "Gegner westlich-liberaler Ordnungsmodelle" aufzutreten; seine Ablösung steht seit rund zehn Jahren auf der Tagesordnung der deutschen Außenpolitik. Seit Tsvangirai im Februar nach langen Kämpfen zum Ministerpräsidenten in einer Übergangsregierung unter seinem Gegner Mugabe ernannt worden ist, sehen Berlin und Washington neue Chancen, Mugabe aus dem Amt zu jagen. Um die dazu nötigen Vereinbarungen zu treffen, bereist Tsvangirai derzeit Nordamerika und Europa. Die Bundesregierung will ihn mit sogenannten Entwicklungsgeldern unterstützen: Diese sollen über Nichtregierungsorganisationen nach Zimbabwe geleitet werden und dort die Position von Tsvangirais Gefolgsleuten stärken.
Störpotential
Die Bemühungen des Westens, den zimbabwischen Staatspräsidenten Mugabe zu entmachten, dauern inzwischen seit rund zehn Jahren an. Mugabe hat sich geweigert, Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erfüllen ("Strukturanpassungsprogramme"), mit denen die Ökonomie ärmerer Staaten zum Nutzen wohlhabender Länder zugerichtet wird. Vor allem aber hat er die aus Kolonialzeiten stammende extrem ungleiche Verteilung des Bodens durch eine radikale Landreform aufgebrochen und zu diesem Zweck Nachfahren von Kolonialisten aus Europa enteignet. Berlin ist alarmiert, da Mugabes Landreform in den Nachbarstaaten immer wieder auf Sympathien stößt; würde sie in Namibia nachgeahmt, wo sie durchaus Anhänger hat, wären Nachfahren deutscher Kolonialisten und damit deutsche Interessen betroffen.[1] Mugabe "störe", da er "gegenwärtig am offensivsten als Gegner westlich-liberaler Ordnungsmodelle auftritt und versucht, sich als Vorkämpfer gegen eine vermeintliche neo-koloniale Unterdrückung Afrikas zu positionieren", resümiert die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Sein "Störpotential" müsse "eingehegt" werden.[2]
Regimewandel
Mugabes "Störpotential" wiegt den Berliner Regierungsberatern zufolge umso schwerer, als Zimbabwe bei gedeihlicher Entwicklung durchaus ökonomisches und politisches Gewicht erlangen könnte: Das Land besitze die Voraussetzungen, "zu einem bedeutsamen Partner deutscher Afrikapolitik" zu werden, schreibt die SWP.[3] Auch andere westliche Staaten schätzen die wirtschaftlichen Möglichkeiten und das Machtpotenzial Zimbabwes recht hoch ein. Es könne zu einem "Wirtschaftsmotor für den Kontinent werden", erklären Experten in Washington.[4] Dazu sei es jedoch nötig, Staatspräsident Mugabe von der Macht in Harare zu entfernen. Berliner Regierungsberater erklären ausdrücklich einen "Regimewandel" für nötig.[5]
Sozialdemokraten
Den Kandidaten des Westens für die Mugabe-Nachfolge hat maßgeblich Berlin aufgebaut. Morgan Tsvangirai entstammt ebenso wie seine Partei Movement for Democratic Change (MDC) dem Gewerkschaftsmilieu, zu dem vor allem die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung enge Kontakte unterhält. Die MDC-Gründung wurde Anfang 1999 auf einem Forum eigeleitet, das die Ebert-Stiftung organisiert hatte; zu diesem Zeitpunkt rühmte diese sich einer "sehr enge(n) Arbeitsbeziehung zum Gewerkschaftsdachverband", dessen Generalsekretär Tsvangirai war.[6] Später unterstützte die Stiftung den zimbabwischen Oppositionsführer unter anderem mit Einladungen nach Berlin, wo das Auswärtige Amt stets für Gespräche zur Verfügung stand. Im letzten Jahr konnte Tsvangirai die auswärtige Unterstützung endlich in einen Wahlerfolg ummünzen: Im Parlament stellt der MDC seitdem die stärkste Fraktion. Sein Chef amtiert nach heftigen Machtkämpfen seit diesem Februar als Ministerpräsident in einer Übergangsregierung. Mugabe hält allerdings bis heute den Posten des Staatspräsidenten und ist noch nicht gänzlich entmachtet.

weiter German Foreign Policy

"Wir sind Herren im Haus"

Interview mit Robert Mugabe, Präsident der Patriotischen Front

SPIEGEL: Präsident Mugabe, zornige Rhodesier wollen Sie umbringen ...

MUGABE: Sicher, aber wir treffen unsere Vorkehrungen. Es gibt immer Leute, die anderer Meinung sind und glauben, die einfachste Methode sei, Personen zu töten, die an Prinzipien glauben, die ihnen mißfallen.

SPIEGEL: Im Krieg haben Sie gemeinsam mit Joshua Nkomo gekämpft, aber in den Wahlen treten Sie getrennt an. Ist die Patriotische Front am Ende?

MUGABE: Es ist nicht wahr, daß wir im Krieg zusammen gekämpft haben. Wir haben nebeneinander gekämpft, und natürlich haben meine Anhänger mehr gekämpft. Schauen Sie sich nur die Zahl unserer Kämpfer in den Sammellagern an. Wir waren niemals eine Einheit in der Patriotischen Front. Wir waren eine Front, bestehend aus Zanu (Zimbabwe African National Union) und Zapu (Zimbabwe African People's Union). So bestreiten wir auch die Wahlen als "Front", aber auch als Zanu und Zapu. Letzten Endes können wir vielleicht unsere Ergebnisse vergleichen, um über eine eventuelle Allianz oder eine Koalition zu reden. Aber zunächst müssen wir die Führungsfrage klären, und die Partei mit den meisten Stimmen hat das Recht, die Regierung zu bilden.

SPIEGEL: Jeder buhlt um die Weißen -- Nkomo, Muzorewa, Sie auch?

MUGABE: Wir werden uns um die gesamte Bevölkerung bemühen, damit alle den Wandel verstehen und die Gründung einer demokratischen Gesellschaft akzeptieren. Wir werden um jeden werben, ganz gleich ob er weiß, schwarz, Mischling oder asiatischer Herkunft ist.

SPIEGEL: Viele Anzeichen sprechen dafür, daß keine Partei die absolute Mehrheit erreichen kann und deswegen eine Koalition Simbabwe regieren wird. Würden Sie mit den Weißen zusammengehen?

MUGABE: Ich glaube, wir sind stark genug, um eine Mehrheit zu erreichen. Aber falls sich die Frage stellen sollte, würden wir die Realitäten akzeptieren.

SPIEGEL: Grundsätzlich würden Sie also sogar mit Ihrem Erzfeind Ian Smith paktieren?

MUGABE: Ich weiß nicht (lacht). Wir werden sehen.

SPIEGEL: Was halten Sie vom britischen Gouverneur in Salisbury?

MUGABE: Er ist sehr parteiisch, hinterlistig und unehrlich. Wie behandelt er zum Beispiel unsere Armee: Wir sind versammelt, als ob wir uns ergeben hätten. Die rhodesischen Truppen dagegen und ihre Helfershelfer sind nach wie vor frei. Sie haben sich niemals in ihre Stützpunkte zurückgezogen, wie es der Friedensvertrag vorschreibt. So manipuliert der Gouverneur die politische Lage, das ist Betrug.

weiter Die Spiegel 11.02.1980

Mittwoch, 24. Juni 2009

Erstmals seit Salvador Allende ging wieder ein Marxist aus freien Wahlen als Sieger hervor, sogar mit absoluter Mehrheit. Geburtshelfer waren die Briten, deren konservative Regierung gerade Mugabes Sieg nicht gewünscht hatte. Der gefürchtete Massenexodus der weißen Rhodesier blieb aus, sogar Südafrika lenkt ein.

Das Szenario erinnerte an eine glanzvolle Vergangenheit. Großbritanniens konservative Regierung war noch einmal, das letztemal sicherlich, in die Rolle der Kolonialgroßmacht geschlüpft und hatte einen ihrer Besten, Lord Soames, mit einer Machtfülle ausgestattet, die -- auf dem Papier zumindest -- jene des legendären Vizekönigs von Indien, Mountbatten, noch überstieg.

Der Auftrag an den Lord: das zum Kolonialstatus zurückgekehrte frühere Südrhodesien in die Unabhängigkeit zu entlassen. Der Wunsch der Premierministerin Margaret Thatcher: eine Regierung an die Macht zu bringen, die den rund 200 000 Weißen die Angst vor der Zukunft nimmt und für die rund 6,5 Millionen Schwarzen akzeptabel ist.

Das Ergebnis: Aus der wohl freiesten Wahl Afrikas mit einer Rekordbeteiligung von 93 Prozent ging als strahlender Sieger ein Mann hervor, der sich selbst als Marxisten bezeichnet und den die weißen Rhodesier stets als den Anführer einer "Bande von terroristischen Killern" und "roten Bluthund" gegeißelt hatten -- Robert Gabriel Mugabe.

Der letzte in der Dritten Welt frei gewählte Marxist, Salvador Allende, hatte sich noch mit 36 Prozent der Stimmen begnügen müssen, und seine Wahl galt der freien Welt als Fanal einer kommunistischen Eroberung des südamerikanischen Kontinents. Mugabe brachte 63 Prozent aller schwarzen Wähler hinter sich und verfügt im Parlament von Salisbury über 57 von 100 Abgeordneten.

"Wir waren alle wie vom Donner gerührt", war der erste Kommentar aus der Residenz des Gouverneurs Soames. Und die konservative Londoner "Times" kommentierte mit feinem englischen Humor: "Die Briten mögen kein nennenswertes Empire mehr haben, aber das dreimonatige Wiederaufleben ihrer Kolonialregierung in Südrhodesien beweist, daß sie, wenn Not am Mann ist, immer noch Klasse-Imperialisten sein können und noch bessere Entkolonisierer."

Das sind sie in der Tat. Bobbys aus dem Mutterland hatten die 570 Wahlstellen auf dem Lande überwacht. Majestätisch schritten sie die oft kilometerlangen Warteschlangen der Wähler ab -- Symbole britischer Ordnungsmacht. 1400 Commonwealth-Soldaten aus Australien und Neuseeland, Kenia und den Fidschi-Inseln, zumeist aber aus Großbritannien meisterten die heikle Aufgabe, weiße Soldaten der rhodesischen Armee mit den Feinden der vergangenen Jahre, den schwarzen Guerrilleros der Mugabe-Truppen Zanla (Zimbabwe African National Liberation Army) und der Zipra (Zimbabwe People's Revolutionary Army) von Mugabes Waffengefährten Joshua Nkomo, auszusöhnen.

Um das Vertrauen herzustellen, spielten sie mit Buschkriegern Karten und Fußball, luden sie zum Bier ein, erzählten Geschichten und tauschten Uniformstücke aus. Kein nennenswerter Zwischenfall störte den Beginn der schwierigen Integration. S.127

Und auch deren Fortgang scheint möglich. Denn der künftige Premier Mugabe sicherte sich sogleich den Dienst des obersten Armeechefs, Generalleutnant Peter Walls, den die Weißen als Garanten ihrer Sicherheit ansehen.

Walls verbrüderte sich sogar offen mit den Guerrillerofeinden von gestern, die er sieben Jahre lang in einem blutigen Krieg bekämpft hatte. "Zusammen mit Zipra und Zanla", verkündete er den Fernsehzuschauern, "sind wir der stärkste Machtfaktor im Land, für Ruhe und Ordnung ist gesorgt."

Noch kurz vor Bekanntgabe der Wahlergebnisse hatte Kolonialherr Soames im Fernsehen sein Volk beschworen: "Alle Rhodesier müssen ruhig bleiben, ganz gleich, ob sie erfreut oder enttäuscht über den Wahlausgang sein werden."

Nach seinem Sieg stimmte Mugabe in den Beschwichtigungschor ein: "Die Regierung wird alles tun, um den Siegern wie den Besiegten ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Sie wird sich gerecht und ehrenhaft verhalten." Schalmeientöne oder ein echtes Angebot?

Noch wenige Tage vor der Wahl hatte die weiße Nachrichtensprecherin Mugabe als Terroristenchef bezeichnet. Jetzt kündigte sie ihn als "Genosse Präsident Robert G. Mugabe" an. "Die Dinge verändern sich schnell in Rhodesien", staunte "Le Monde", "sehr schnell sogar."

Wie schnell, das bewies jener Mann, der vor 15 Jahren gegen das Mutterland rebelliert und einseitig die Unabhängigkeit Rhodesiens erklärt hatte: Ian Smith. Noch bevor die meisten Weißen sich von ihrem Schock erholt hatten, machte er Mugabe in dessen kürzlich erworbener Villa im Salisbury-Vorort Mount Pleasant seine Aufwartung.

Loyalität hatte auch General Walls auf eindrucksvolle Weise bekundet. Als sich Mugabe unter vier Augen bei dem Oberbefehlshaber über mehrere Mordanschläge beschwerte, fiel Walls ihm ins Wort und versicherte: "Wenn wir das gemacht hätten, mein lieber Freund, dann wären Sie jetzt tot."

Mugabes Verhältnis zu den Weißen war nie problemlos und immer voller Spannungen. 1924 in dem Dorf Kutama unweit Salisbury als Sohn eines Tagelöhners vom Mehrheitsvolk der Shona geboren, erfuhr er schon von seinen Eltern, was es mit dem weißen Mann auf sich hatte. "Meine innere Auflehnung begann", so berichtete er, "als sie erzählten, wie der weiße Mann ins Land kam und es an sich nahm."

Dem katholischen Missionsschüler prägte sich ein demütigendes Erlebnis ein: Er war zusammen mit Klassenkameraden von einem seiner weißen Lehrer zum Tee befohlen worden. Als die Jungen gingen, säuberte die Lehrersfrau ihre Sitze mit Reinigungsschaum.

Als Stipendiat der Fort-Hare-Universität lernte Mugabe Südafrika kennen. Er schloß das Studium der Philosophie, der Pädagogik und Wirtschaftswissenschaften ab. Später, aus rhodesischer Haft, schaffte er noch per Fernstudium den Doktor der Rechte an der Universität London.

Bei einem Aufenthalt in Ghana, wo er von den Freiheits-Vorstellungen Nkrumahs geprägt wurde, lernte Mugabe seine Frau kennen, eine Lehrerin, die ihn mit dem Marxismus vertraut gemacht haben soll. Später habe er auch "gewisse Ideen des Maoismus übernommen", sagt Mugabe, ohne seine christliche Grundeinstellung aufzugeben. Darin sei sein "hauptsächlicher Widerspruch" begründet.

1961 trat Mugabe der von seinem späteren Waffengefährten Joshua Nkomo gegründeten National Democratic Party (NDP) bei, der Vorgängerin der Befreiungsorganisation Zimbabwe African People's Union (Zapu).

Im August 1963 brach Mugabe mit Nkomo, der Unterstützung in Moskau und beim britischen Lonrho-Konzern suchte. Die Kompromißbereitschaft Nkomos, der von den Weißen "good old Josh" genannt wurde, war Mugabe zuwider. Er wurde Generalsekretär der von der Zapu abgespaltenen militanten Zimbabwe African National Union (Zanu) des Pfarrers Sithole, den er später ausbootete. Mugabe formte die Zanu zu einer marxistisch ausgerichteten Kaderpartei, die allerdings niemals so gut durchorganisiert war wie die Zapu seines Konkurrenten Nkomo -eine Schwäche, die Mugabe möglicherweise zum späteren Einlenken zwang.

Als die Rebellenregierung Smith 1976 Kissingers Pläne für Rhodesien ablehnte, gründeten Mugabe und Nkomo ein politisches Zweckbündnis unter dem Namen Patriotische Front.

"Das kapitalistische System", erkannte Mugabe, "kann nicht über Nacht transformiert werden." Dennoch: "Ich verhehle nicht, daß ich bestimmte Grundprinzipien besitze, die vom Marxismus-Leninismus geprägt sind." Darin unterscheidet er sich kaum von einer Reihe anderer afrikanischer Staatsführer.

Politisch zu differenzieren aber war noch nie die Stärke der Weiß-Rhodesier. Also verteufelten sie Mugabe mit Ausdauer als hartgesottenen Kommunistenfreund.

Den Afrikanern in Rhodesien aber erschien Mugabe zunehmend als unbeugsamer Mann mit Prinzipien, als einzig vertrauenswürdiger Führer, der verhindern würde, daß die Weißen am Ende doch noch irgendein schmutziges Spiel mit ihnen trieben.

Die Masse der Rhodesier erfuhr erst am vergangenen Dienstag vom Überraschungssieg Mugabes. In der Manica Road in Salisbury vor dem Parteihauptquartier der Zanu versammelten sich innerhalb weniger Minuten einige hundert singende, tanzende und krähende Schwarze, denn der Hahn ist das Emblem der Mugabe-Anhänger.

Die Weißen standen mit ernsten Gesichtern beisammen, während überfüllte Busse den ganzen Tag lang durch die sonst eher schläfrige Innenstadt fuhren und die Passagiere zu afrikanischen Befreiungsliedern rhythmisch auf das Blech klopften.

Sieger Mugabe aber zeigte Augenmaß. Feinfühlig ermunterte er den Verlierer der Wahl, Bischof Abel Muzorewa: "Ich hoffe, er hat beim nächsten S.128 Mal mehr Erfolg." Der Methodistenbischof, der noch bei der internen Wahl vor knapp einem Jahr, an der sich Mugabe und Nkomo nicht beteiligt hatten, 67 Prozent aller Stimmen auf sich vereinte, ging jetzt mit nur drei Mandaten nahezu leer aus. Die Wähler hatten ihm offensichtlich verübelt, daß er sich mit Südafrika geeinigt und Kompromisse mit der weißen Minderheitsherrschaft von Smith geschlossen hatte und dem Land weder einen Wirtschaftsaufschwung noch den Frieden bringen konnte.

Mit Nkomo hingegen, dem Vater des schwarzen Nationalismus in Rhodesien, vereinbarte Mugabe letzten Mittwoch sogar eine Regierungskoalition, in die auch Weiße aufgenommen werden sollten. "Wir möchten die Schwerter in Pflugschare umschmieden", sagte Mugabe in seiner ersten Rede, "wir wollen ein neues Simbabwe bauen, das der Stolz Afrikas sein wird."

Solchen Tönen mißtrauten die Weißen zunächst, denen die eigene Propagandamaschinerie jahrelang Angst vor dem "marxistischen Monster" eingebleut hatte. Edison Zvobogo, Wahlkampfmanager von Mugabe, bekam das zu spüren. Als er eines Abends in ein Hotel des rhodesischen weißen Establishments kam, verwickelten ihn wütende Weiße in eine Diskussion. "Keiner von uns geht lilienrein aus einem so blutigen Krieg hervor", mahnte der Politiker die aufgebrachten Menschen.

Ein Weißer blieb unbeeindruckt. "Ich habe in Mosambik und Angola gesehen, was jetzt kommt", eiferte er und verbreitete Greuelgeschichten von entmannten Weißen. Darauf Zvobogo: "Hier werden niemandem die Hoden abgeschnitten, jeder soll, sooft er kann, natürlichen Gebrauch von ihnen machen."

Immerhin scheinen viele Weiße etwas Mut geschöpft zu haben. So trat denn auch bereits am Tag nach Mugabes Wahlsieg wieder Ruhe ein. Unterderhand ließen die Briten nach dem ersten Schreck verlauten: "Vielleicht wird er ein zweiter Kenyatta."

Gelangweilt lehnen die Soldaten, die an allen strategischen Punkten des Landes zusammengezogen sind, an ihren Panzerfahrzeugen. Ein Putsch der alten rhodesischen Armee ist nicht in Sicht. Davor hatten die Briten am meisten Angst. "Das ist alles Unsinn", sagte General Walls kategorisch. "Wir müssen Vertrauen aufbauen, die größte Gefahr für den Frieden liegt in der Angst."

Mit Hilfe einiger britischer Offiziere von der Waffenstillstandstruppe wurde schon mit der Integration der einstigen feindlichen Armeen begonnen. In einem Lager in Mtoko in Grenznähe von Mosambik werden derzeit Guerrilleros Mugabes gedrillt, im Süden exerzieren Nkomo-Kämpfer mit Soldaten der alten Smith-Armee aufs Kommando britischer Sergeants.

Vielen der oftmals blutjungen Kämpfer aus dem Busch fällt die Umschulung zur Legalität schwer. Ein Kommandant mußte ihnen beispielsweise kürzlich in ihrer Muttersprache erklären: "Wenn ihr jetzt Flugzeuge seht, dürft ihr nicht darauf schießen. Die gehören jetzt uns."

Schwieriger noch wird es sein, ein anderes Feindbild aus den Köpfen der Männer zu verdrängen. Die Busch-Krieger Mugabes und Nkomos haben zwar seit Jahren in der Patriotischen Front nebeneinander gegen das weiße Siedlerregime gekämpft, doch zum Miteinander hat es nie gereicht.

Wann immer sich die vermeintlichen Verbündeten im Busch trafen, lieferten sie sich blutige Gefechte. Der Grund: Nkomo und seine Leute gehören zum Minderheitsstamm der Ndebele im Südwesten Rhodesiens, Mugabe ist ein Shona, die drei Viertel der schwarzen Bevölkerung stellen.

Die jetzt angekündigte Regierung einer "Nationalen Front" soll ein weiteres Stammesgemetzel in Afrika verhindern. Das drohte in Rhodesien schon immer. Über die Uneinigkeit der rhodesischen Schwarzen kursiert unter Afrikanern der Spruch: "Schicke zwei von ihnen zum Mond, dann bilden sie drei Parteien."

Mugabes versöhnliche Haltung könnte Simbabwe auch ein ähnliches Schicksal ersparen wie Mosambik, wo der Exodus der Weißen ein Wirtschaftschaos auslöste. Vielmehr erhoffen sich die Frontstaaten des südlichen Afrika (Tansania, Sambia, Angola, Mosambik und Botswana) handfeste wirtschaftliche Vorteile von einem florierenden Simbabwe. Trotz aller Widrigkeiten stieg die Industrieproduktion Rhodesiens im letzten Jahr um 8,7 Prozent.

"Wir planen weder eine Verstaatlichung der privaten Wirtschaft noch eine Vergeltungskampagne", hat Mugabe zugesagt. Dennoch ist Rhodesiens Wirtschaft trotz lukrativer Chrom-Exporte nicht in der Lage, die kostspieligen Versprechen zu finanzieren, die Mugabe seinen Wählern gemacht hat: Landverteilung an besitzlose schwarze Bauern, Flüchtlinge und Buschkämpfer sowie neue Arbeitsplätze und höhere Löhne.

Zwar gleicht Rhodesien im Vergleich zu den schwarzen Nachbarstaaten geradezu einem Wirtschaftswunderland, aber wegen des Boykotts ist der Maschinenpark veraltet.

Was an Devisen in Zukunft ins Land strömt, wird deshalb für dringende Ersatzinvestitionen gebraucht. Zwar entfallen künftig die hohen Kriegsausgaben, aber die Verschmelzung der verschiedenen Guerilla-Truppen wird zur Folge haben, daß Rhodesien eine der stärksten Armeen Afrikas unterhält -die den Haushalt sehr belasten wird.

Finanziell und organisatorisch ist in kurzer Zeit vor allem die Neuverteilung des fruchtbaren Landes nicht zu bewältigen, die Mugabe als eines der dringendsten Anliegen bezeichnet. Die Ausbildung schwarzer Farmer, ihre Ausstattung mit Gerät und Krediten, wird große Summen verschlingen.

Fließen keine Hilfsgelder in entsprechender Höhe ins Land, dann könnte Mugabe ähnlich scheitern wie Muzorewa. Für den neuen Premier ist es also auch eine Frage des politischen Überlebens, es wenigstens für eine Übergangszeit nicht mit den Weißen und dem Westen zu verderben.

weiter Die Spiegel 10.03.1980

Kommentar: Die Landfrage in Simbabwe ist Gegenstand der Verhandlungen in Lancaster gewesen. Der Westen hat gehofft, dass ein anderer als Mugabe die Wahl in 1980 gewinnen würde. Wieder hatten sie die Rechnung ohne die Landesbevölkerung gemacht.

Dienstag, 23. Juni 2009

Mugabe: Was ist sein Vergehen?

Robert Mugabe, Simbabwes wiedergewählter Präsident, herrscht über eines der reichsten Rohstoffgebiete der Welt: den »Great Dyke«, der sich wie eine geologische Schneise durch das ganze Land von Nordost nach Südwest zieht. Das gibt einen Hinweis auf den wahren Grund für die frommen Sorgen der Regierung Bush über die Wahrung der Menschenrechte in Simbabwe in den letzten Jahren. Nur im Vordergrund geht es um Wahlbetrug durch Mugabe oder die Enteignung weißer Siedler, denn Mugabe unterhält umfassende Geschäftsbeziehungen mit dem Land, das praktisch unbegrenzten Bedarf für die Rohstoff aus Simbabwe hat – China. Zusammen mit dem Sudan steht Mugabes Simbabwe im Zentrum des neuen Krieges zwischen Washington und Peking um die Rohstoffe aus Afrika; dabei spielt auch Moskau eine unterstützende Rolle. Es geht um ungeheuer viel.

Simbabwes Präsident Robert Mugabe ist ein furchtbarer Schurke. Das wissen wir alle aus der Zeitung oder aus den Äußerungen von George W. Bush, früher von Tony Blair und in letzter Zeit von Gordon Brown. In ihren Augen hat er schwer gesündigt. Sie werfen ihm vor, er sei ein Diktator, er habe im Rahmen einer Landreform weiße Farmer oftmals gewaltsam enteignet, er habe seine Wiederwahl durch Wahlschwindel und Gewalt durchgesetzt, und schließlich, er habe Simbabwes Wirtschaft ruiniert.

Aber seine Sünde scheint vielmehr zu sein, dass er versucht, sich aus der sklavischen neokolonialistischen Abhängigkeit von den Anglo-Amerikanern zu befreien und unabhängig vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzutreiben. Seine wirkliche Sünde scheint in der Tat zu sein, dass er sich an das einzige Land gewandt hat, das seiner Regierung Kredite und günstige Zahlungsbedingungen ohne Fallstricke für die wirtschaftliche Entwicklung gewährt – die Volksrepublik China.

Mugabes wahre Sünde war es, Investitionen und Zusammenarbeit nicht von Großbritannien oder den USA zu erbitten, sondern von China.

Dazu passt, dass in den Berichten der westlichen Medien der zweite Beteiligte an dem riesigen Tauziehen um die Kontrolle über Simbabwes enormen Rohstoffreichtums unter den Tisch fällt.

Das Erbe von Cecil Rhodes

Simbabwe ist der Name des afrikanischen Landes, das vor hundert Jahren, im Zeitalter des britischen Kolonialismus, Rhodesien hieß. Namensgeber für das damalige Rhodesien war der britisch-imperiale Stratege und Bergwerksbesitzer Cecil Rhodes, des Begründers des renommierten »Rhodes-Stipendiums« in Oxford, der vor allem aber dadurch bekannt wurde, dass er im Auftrag der britischen Krone den Plan für eine riesige private »Afrika-Zone« entworfen hat, die von Ägypten bis Südafrika reichen sollte. Nach dem Vorbild der britischen East India Company (Ostindiengesellschaft) gründete Cecil Rhodes zur Ausbeutung der riesigen Rohstoffvorkommen in Afrika die British South Africa Company (Britische Südafrika-Gesellschaft), und zwar zusammen mit L. Starr Jameson, der mit dem »Jameson Raid« – dem Überfall auf Paul Krugers Südafrikanische Republik im Jahre 1895 – berühmt-berüchtigt wurde. Diese Gesellschaft kontrollierte das später Northern Rhodesia (Sambia) und Southern Rhodesia-Nyasaland genannte Gebiet. Bei diesem »Geschäftsmodell« sollte es die britische Regierung notfalls mit Waffengewalt Cecil Rhodes ermöglichen, die Rohstoffe ausbeuten zu können, während Rhodes und seine Londoner Bankiers, allen voran sein enger Verbündeter Lord Rothschild, den gesamten Profit einstrichen.

Rhodes war ein cleverer Geologe und wusste, dass es eine geologische Verwerfung gab, die von der Nilmündung im Golf von Suez südlich über den Sudan, Uganda, Tansania, bis ins heutige Zimbabwe und nach Südafrika verlief. Rhodes hatte bereits einige Kriege angezettelt, um die Kontrolle über die Diamanten von Kimberley und das Gold von Witwatersrand in Südafrika zu bekommen. Die geologische Formation, die Rhodes und deutsche Geologen in den 1880er-Jahren entdeckten – auf der Strecke liegen auch einige Vulkane –, erhielt den Namen »Großer Afrikanischer Grabenbruch«.

Rhodesien wurde, wie Südafrika nach den blutigen Burenkriegen, von Weißen besiedelt, die die zukünftigen Rohstoffeinkommen für die alliierten Interessen sichern sollten; das betraf insbesondere die mächtige Familie Oppenheimer und deren große Gold- und Diamantenunternehmen in der Region. Als 1962 viele afrikanische Länder das Joch der Kolonialherrschaft abwarfen und unabhängig wurden, gehörte Rhodesien zusammen mit der ehemaligen britischen Kolonie Südafrika zu den letzten Bastionen der weißen Apartheid-Herrschaft. Weiße machten in Rhodesien nur ein bis zwei Prozent der Bevölkerung aus, ihre Methoden zum Erhalt der Herrschaft waren entsprechend brutal.

Der weiße rassistische Premierminister Ian Smith erklärte 1965 Rhodesiens Unabhängigkeit von Großbritannien, ohne den geringsten Kompromiss in der Rassenfrage oder einer Machtaufteilung mit den schwarzen Nationalisten einzugehen. Großbritannien gelang es, UN-Sanktionen verhängen zu lassen, um Smith zum Einlenken zu zwingen. Trotz der Sanktionen bekam Smith von konservativen Geschäftsinteressen in London erhebliche Unterstützung, und Tiny Rowland, der Chef des Bergbaukonzerns Lonrho, sicherte sich während der Regierung Smith den Großteil seiner Profite aus den rhodesischen Kupferminen und ähnlichen Unternehmen. In der Londoner City wusste man sehr wohl, über welchen Reichtum Rhodesien verfügte. Die Frage war, wie man die Kontrolle dauerhaft sichern konnte.

Nach langen und blutigen Auseinandersetzungen gewann 1980 der Führer der schwarzen Koalitionsbewegung African Popular Front (Afrikanische Volksfront) überwiegend die Wahl zum ersten Premierminister eines neuen Simbabwe. 20 Jahre später ist derselbe Robert Mugabe wachsenden Angriffen aus dem Westen ausgesetzt, besonders von Simbabwes ehemaliger Kolonialmacht England. Dazu gehören harte Wirtschaftssanktionen, die das Land an den Rand des Zusammenbruchs führen sollen, um die Wirtschaft zwangsweise für ausländische (sprich anglo-amerikanische und verbündete) Investitionen zu öffnen.

Der Great Dyke

In Simbabwe wird ein Abschnitt des Großen Afrikanischen Grabenbruchs »Great Dyke« (Großer Deich) genannt, eine rohstoffreiche geologische Auffaltung, die sich über 530 Kilometer vom Nordosten des Landes bis zum Südwesten erstreckt und bis zu zwölf Kilometer breit ist. Ein Fluss durchzieht den Graben und die Region ist vulkanisch aktiv. Hier gibt es reiche Vorkommen an Chrom, Kupfer und vor allem Platin.

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Kommentar:

Sind die westlichen Politiker zu trauen, wenn sie Mugabe verteufeln? Meiner Meinung nach, ihre Hass diesen Mann gegenüber hat nicht mit den politischen Verhältnisse im Land Simbabwe zu tun, sondern mit den eigenen wirtschaftlichen Interessen, die sie durch ihm gefährdet sehen.